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Der Heidentempel zu Drüggelte
Heidnische Tempel unserer Breiten kennen wir nur von Rekonstruktionen in Museen oder Museumsdörfern. Bekannt ist z. B. der wendische Tempelnachbau von Groß Raden Kreis Sternberg, Mecklenburg. Anders als bei den Griechen und Römern (Pantheon) haben sich originale Tempel nicht erhalten, glaubt man. Dies trifft aber nicht ganz zu: Etwa neun Kilometer südlich von Soest (auf einer Hochfläche zwischen Haarstrang und Möhnetal, nahe der Möhnetalsperre bei Delecke) befindet sich, von Hof- und Wirtschaftsgebäuden (Landgut Schulte-Drüggelte) umgeben, ein Heidentempel, der Heidentempel von Drüggelte. Es handelt sich um das älteste Baudenkmal Westphalens. Im Volksmund heißt das Gebäude nur „Heidentempel“, doch wird er heute als Kirche genutzt, so daß man auch von der Drüggelter Kapelle spricht. Im Mittelalter verlief hier in westöstlicher Richtung ein uralter Heerweg, in nordsüdlicher Richtung die Straße von Soest nach Arnsberg.
Das kleine Dorf Drüggelte war Versammlungsmittelpunkt des ehemaligen Amtes zwischen Haarstrang und Arnsberger Wald.
In dem Gebäude befindet sich eine Hinweistafel mit dem folgenden Text:
>Die Drüggelter Kapelle, dem hl. Kreuz geweiht, wurde im 12. Jahrhundert aus grünem Sandstein erbaut. Auf zwölfeckigem Grundriß errichtet, dürfte der kleine gewölbte Zentralbau als Erinnerungsstätte an das hl. Grab in Jerusalem gesehen werden. Der Name druglete, drüggelte, erscheint zum ersten Male in einer Urkunde, die Graf Gottfried von Arnsberg im Jahre 1217 ausstellte, bevor er sich zum Kreuzzug ins heilige Land begab. 10 Jahre später, 1227, wird in einer Urkunde desselben Grafen erstmalig die Kapelle erwähnt. Die Baumlade-Truhe, stammt aus der Erbauungszeit der Kapelle 1167-1175. E L.<
Interessant ist hierbei die Bemerkung „dem heiligen Kreuz geweiht“. Will man hier gleich am Anfang des Textes die Überlieferung vom Heidentempel widerlegen? Auch fehlen Hinweise über die Bedeutung des Baues in der Sage, es fehlen Anmerkungen über die Katharer, die hier gebetet haben sollen. Die Grabeskirche ist zudem achteckig, nicht – wie unser Heidentempel – zwölfeckig. Die Tafel ist wieder einmal ein Beweis, wie eine unliebsame Geschichte von der Kirche totgeschwiegen wird.
Eine der älteren Darstellungen über unser Gebäude stammt von dem Historiker und Rektor der Universität Köln, Hermann Stangefol von 1656:
>Dort im sehr alten Tempel (...) gab es einst ein Bildnis der Göttin Trigla (Trigla Dea), das drei Köpfe hatte, zu dem sich die Heiden in höchsten Nöten, um Beistand flehend, gewöhnlich flüchteten<.
Schon Herlitzius hatte dazu angemerkt, daß "Trigla Dea" einfach nur Bezeichnung für eine heidnische Göttin ist, die Bezug zu einer Dreiheit hat, nicht die wendische Gottheit Triglav meinen muß.
Doch lesen wir hierzu die Darstellung bei Adalbert Kuhn (Sagen, Gebräuche und Märchen aus Westphalen, Leipzig 1859, S. 217):
>Die Kapelle zu Drüchelte. Etwa auf dem halben Wege zwischen Arnsberg und Soest liegt ein kleiner, aus drei Höfen bestehender Weiler, Namens Drüchelte; in diesem befindet sich eine kleine achteckige Kapelle von ungemein zierlicher Bauart, wie man sie an diesem Orte am wenigsten zu treffen erwartet; das in eine kleine Kuppel endende Gewölbe wird von 12 Säulen getragen, die von verschiedener Stärke sind; am umfangreichsten sind die vier die Kuppel tragenden Säulen, von denen die zwei nach Nord und Süd stehenden wieder die andern übertreffen, die jene vier umstehenden acht Säulen sind sehr dünn und zierlich. Nur an einigen Säulencapitälen finden sich Sculpturen, unter ihnen an einer drei Köpfe, an einer andern vier Rosetten. Nach der Sage ist diese Kapelle ehemals ein heidnischer Tempel gewesen; die Leute in Druchelte erzählen auch, daß die Sonne durch eine der äußerst schmalen Lichtöffnungen am Johannistage gerade beim Aufgange ihre ersten Strahlen werfe.
(...) Nach dem mir schriftlich mitgetheilten Urteil eines Kunstverständigen ist die Kapelle wahrscheinlich ein Baptisterium aus der Zeit der großen Sachsenbekehrung, wenigstens erinnere der Stil an den Münster zu Aachen; mag es sich damit wie auch immer verhalten, der eigenthümliche Bau scheint jedenfalls auf eine Mitwirkung heidnischer Ideen bei demselben zu deuten, und es wäre daher wohl zu wünschen, daß die Kapelle in dieser Beziehung einer genaueren Prüfung unterworfen würde.<
Sehen wir einmal davon ab, daß A. Kuhn hier statt der 12 Außensäulen und den 4 Innensäulen nur 8 Außensäulen und 4 Innensäulen erwähnt und auch fälschlich das Gebäude als achteckig bezeichnet (es ist zwölfeckig), so ergibt sich doch, daß seiner Ansicht nach der Heidentempel aus der Zeit der Sachsenbekehrungen, also früher als offiziell angegeben, stammt. Er folgt hiermit der Theorie, daß es sich um ein Baptisterium (eine Taufkapelle) handele. Auch Friedrich Wilhelm Grimme (Das Sauerland und seine Bewohner, Herausgegeben von Magdalena Padberg, Fredeburg) streitet ab, daß es sich hier um einen heidnischen Tempel handele. Er schreibt:
>Es haben nun zwar unsere heidnischen Altvordern hierorts nicht zu ihrem Wodan gebetet, wie sie denn überhaupt, nach Tacitus, ihre Götter nicht innerhalb der Wände und unter Dach, sondern unter den Wipfeln ihrer Wälder verehrten: Aber gebetet mögen Heiden dennoch in diesem Bau haben, indem sie darin ihrem Wodan und dem Teufel widersagten und sich mit dem christlichen Taufwasser netzen ließen. Wir haben hier vielleicht eine altchristliche Taufkapelle (Baptisterium) aus den Tagen lange vor Karl d. Gr. vor uns, als noch weder Kirchen noch Pfarreien gegründet waren<.
In einer Fußnote dazu wird aber angemerkt, daß nach Giefers die Kapelle erst in der Kreuzzugszeit erbaut wäre, und eine Nachbildung der Rundkirche des hl. Grabes zu Jerusalem darstelle.
Es mag nun aber alles zusammen zutreffen, daß das Gebäude erst als Heidentempel gebaut wurde, dann zur Grabkapelle umgeweiht und später noch als Kreuzfahrer- und Katharerkapelle gedient haben könnte.
Es handelt sich um einen zwölfeckigen Centralbau mit – sicher später – nordöstlich angesetzter ovaler Chorapsis. Im Süden überdacht ein kleiner Vorbau die Eingangspforte. In der Mitte des Tempels befindet sich ein von vier Säulen getragenes Tonnengewölbe. Zwei dieser Säulen sind dünnere Sandsteinsäulen , die anderen dicke gemauerte Säulen. Um dieses Tonnengewölbe bilden sich - von 12 Sandsteinsäulen geteilt - zwei Rundgänge. Der äußere Gang zeigt Stichkappengewölbe. Das Gebäude hat ein Pyramidendach mit achteckigem barocken Dachreiter. Der zwölfeckige Bau hat 7 kleine Rundbogenfenster (siehe Grundrißzeichnung).
Grundrißzeichnung (© v. Nahodyl Neményi)
Über der Eingangstür außen ist ein Rundbogen, der von zwei Säulen mit romanischen Würfelkapitälen getragen wird. Das Bogenfeld ist im Halbkreis von einem Seilgewinde umspannt, seine untere Kante trägt 12 Malkreuze in Quadraten nebeneinander. Was das Bogenfeld einst für ein Bild zeigte, ist nicht bekannt, vielleicht einen Lebensbaum.
Eingangstür (Photo v. Nahodyl Neményi)
Weder über die Erbauungszeit noch über die ursprüngliche Funktion des Gebäudes herrscht unter den Forschern Klarheit. Während einige von einem Baptisterium (Taufkapelle) aus der Zeit der Sachsenbekehrungen (8. - 9. Jh.) sprechen, was deswegen unwahrscheinlich ist, weil es Taufmöglichkeiten im nahegelegenen Soest gab, sehen andere einen Nachbau des hl. Grabes (Grabeskirche) oder eine Kirche aus der Zeit der Kreuzzüge. Dem widerspricht, daß es sich nicht um ein achteckiges (wie bei Nachbildungen des hl. Grabes), sondern um ein zwölfeckiges Gebäude handelt. Gewöhnliche Kirchen waren damals zudem Langhäuser. Im Gebäude fehlen auch jegliche fest eingebaute christliche Embleme. Der Forscher Dieter Kestermann untersuchte das Gebäude eingehend und kam zu dem Ergebnis, daß es sich um einen heidnischen Tempel aus der Zeit zwischen 720 und 772 handelt. Auch die Sage nennt das Gebäude nur „Heidentempel“. Es wäre auch denkbar, daß ein vorhandener heidnischer Holztempel nach und nach durch steinerne Mauern ersetzt wurde oder daß dieses Gebäude direkt an Stelle eines heidnischen Tempels noch von Heiden in christlicher Zeit errichtet wurde. Bis 1583 befand sich in dem Gebäude ein Götterbild der Göttin Trigla mit drei Köpfen. Es ist möglich und sogar sehr wahrscheinlich, daß in der Zeit nach der Missionierung (und bis heute) der Tempel als Kirche weitergenutzt wurde. Zwischenzeitlich war das Gebäude auch Versammlungsort der Katharer, einer christlichen Sekte die um 1000 im Nahen Osten entstanden war. Graf Gottfried II. von Arnsberg war angeblich Katharer und seine Familie lag im Streit mit den Kölner Bischöfen. In einer Urkunde vom 14. 5. 1217 (Pfingsten) ist die Rede „von vielen mit dem Kreuz gezeichneten, die ins heilige Land aufbrechen müssen“. Es heißt ferner, daß außer den „kampfbereiten Pilgern noch unzählige andere zugegen sind“. Die Versammlung von zahlreichen Adeligen dort zu Pfingsten 1217 (Mailag) deutet darauf hin, daß der Ort einst ein alter Thingplatz gewesen ist. D. Kestermann deutete den Namen Drüggelte daher auch von "Dru" oder "Tree" (Baum) und "Glete" oder "Gilde" (Gemeinde), also "Thingbaum der Gemeinde". Vielleicht zeigte das Relief über der Eingangstür einst diesen Thingbaum, denn ein Stammansatz ist noch zu erkennen, den Christen aber natürlich als Stamm einer Kreuzdarstellung deuten.
Chroniken berichten weiter: „Vor dem Aufbruch in das heilige Land versammelten sich in der Mitte der Kapelle die Kreuzritter. Ein weiser Mann warf die 24 Runenstäbe auf den Boden, blickte durch die Dachöffnung auf die Sterne und sagte den Rittern, wann sie sterben“.
Wir erfahren hier also, daß das Gebäude - wie der römische Tempel Pantheon - eine Öffnung zum Himmel aufwies; an dieser Stelle in der Mitte des Raumes ist heute eine Luke zum barocken Dachtürmchen. Diese Öffnung war oval und maß an ihrer Längsachse 1,40 Mtr. Hierdurch war es möglich, die Sterne direkt über dem Tempel zu beobachten. Auch der römische Pantheon hat so eine Öffnung in der Mitte des Daches. Daß das Gebäude einst so eine Öffnung an der Decke aufwies, stammt aber aus einer Darstellung von 1964; es war bekannt, daß die Katharer ihre Gottesdienste gerne unter freiem Himmel oder in Räumen mit offener Decke abhielten. Zudem ist wohl eindeutig, daß der aufgesetzte Dachreiter erst aus der Barockzeit stammt. 1227 wird das Gebäude in einer Urkunde über den Besitzwechsel von Höfen „bei der Kapelle Druchlete an der Möhne“ erwähnt.
In dem Tempel befindet sich noch heute eine große eisenbeschlagene Eichentruhe (1,92 x 0,61 x 0,56 Mtr.) in der die Runenstäbe aufbewahrt worden sein sollen. Sie stammt (nach dendrochronologischer Untersuchung) von 1172 und diente ursprünglich zur Aufbewahrung von Tempel- oder Kirchenschatz (hl. Geräte) oder Heiligenfiguren. Man dachte auch daran, daß die Truhe zur Aufbewahrung des Trigla-Bildes verwendet wurde. Es gab sicher keine so großen Runenstäbe, daß man allein für sie so eine gewaltige Truhe angefertigt hätte.
Eichentruhe (Photo v. Nahodyl Neményi)
Auffallend ist, daß der Tempel 12 Seiten und 7 Fenster aufweist. Damit ist klar an eine Planeten- und Tierkreissymbolik angeknüpft, wie auch in den 12 Malkreuzen über dem Eingang. Der Tierkreis ist aber auch der Götterkreis. Tatsächlich tragen die Kapitele und Basen der 12 im Kreise stehenden (von der Konstruktion her gar nicht nötigen) äußeren Säulen verschiedene symbolische Bilder. Ich habe alle Säulenkapitele und -füße abgezeichnet (siehe die Bilder unten). Auf der Grundrißzeichnung (und auf den Säulenbildern) sind die Säulen numeriert und von außen beginnend im Uhrzeigersinn mit den Buchstaben a, b, c, d bezeichnet.
Der Grundriß des Tempels enthält also drei konzentrische Kreise; in der Mitte zwischen den 4 dicken Säulen war der heiligste Platz, Asgard. Darum, zwischen den vier inneren und 12 äußeren Säulen ist Midgard, und zwischen den äußeren Säulen und der Wand Utgard.
Blick von der gegenüberliegenden Wand zur Apsis (Photo v. Nahodyl Neményi)
Die halbrunde Chorapsis, die einst auch eine Ausgangstür nach Süden hatte, ist später angebaut. Hier befindet sich der Altar, der vier gleichseitige Katharerkreuze aufweist, der von den wenigsten Sitzplätzen des Gebäudes gesehen werden kann (eine steinerne Bankreihe läuft fast die ganze Gebäudeaußenwand entlang). Das Gebäude ist also nicht auf den Altar und die Apsis, sondern auf seine Mitte ausgerichtet (die beiden Bilder unten zeigen den Blick. vom Altarraum in die Kapelle).
Trotz des zwölfeckigen Baues fehlt an der Stelle, wo die Apsis oder Sonnenwarte angebaut ist, der Wandpfeiler. Die Apsis endet oben genau an den Kreuzgewölbeendkanten, als wenn man einen Wandpfeiler entfernt hätte, um hier die Apsis anzubauen. Ihr südliches Fenster ist in jedem Falle späteren Datums, denn es ist größer als die anderen Fenster und eckig. Vor der Fensternische befindet sich ein kleines Steinbecken mit einer Abflußöffnung nach Außen. Die anderen 7 Fenster erinnern mehr an Fenster einer Wehrkirche, sie sind klein und hochliegend.
Einem der Geheimnisse des Heidentempels kamen die Forscher erst Mitte des letzten Jahrhunderts auf die Spur. Damals bereiste der Sagensammler Kuhn die Gegend und erfuhr von den Bauern eine geheimnisvolle Begebenheit: Nur einmal im Jahre, am 21. Brachet (Mittsommer) falle am frühen Morgen für wenige Minuten durch eine runde Lichtöffnung ein Sonnenstrahl quer durch den Innenraum und strahle auf seltsame Säulenzeichen. Ich habe auf der Grundrißzeichnung den möglichen Lichteinfall eingezeichnet: Der Strahl fällt auf die fensterlose Wandfläche in südwestlicher Richtung, etwas auch auf Säule 1 a und Säule 13 a. Wenn sich auf der Wandfläche ein Bildnis befand, dann würde es zur Sommersonnenwende angestrahlt werden. Auch die Wand nach Norden hat kein Fenster; im Norden eines Tempels oder Langhauses war immer der Hochsitzplatz für den Goden oder Hausherrn.
Links: Blick von der Apsis zum Eingang. Rechts: Blick von der Apsis in die Mitte (Photos v. Nahodyl Neményi)
Christliche Kirchen sind nicht auf den Sonnenaufgang zur Sommersonnenwende ausgerichtet. Bei den Katharern allerdings ist der Johannistag ein wichtiges Datum. Die runde Öffnung in der Apsis, durch die der Lichtstrahl fällt, ist fast identisch mit der Lichtöffnung auf der Sonnenwarte der Externsteine, doch ist eine Beobachtung des Sonnenaufgangs heute nicht mehr möglich, da andere Gebäude den einst freien Blick verstellen.
Auch der Wintersonnwendpunkt ist in dem Gebäude zu finden. Wenn man sich in südöstlicher Richtung an der Außenwand des Gebäudes aufstellt, so kann man durch alle Bogenreihen glatt zum Fnster hindurchsehen, und am Tage der Wintersonnenwende kommt ein Sonnenstrahl genau am Fußboden entlang über die Mitte des Raumes zur gegenüberliegenden Seite. Das legt die Vermutung nahe, daß in der Mitte ein schattenwerfender Richtungsstein gestanden haben kann.
Durch das Nordwestfenster ist auch genau der Sonnenuntergang zur Sommersonnenwende zu sehen, im Südwestfenster der Monduntergang zur großen Mondwende nach jeweils 19 (18,61) Jahren und im Nordostfenster der Mondaufgang.
Doch nun wollen wir uns die insgesamt 16 Säulen genauer betrachten. Zuerst fiel mir auf, daß manche absichtlich zerstört waren. d. h. die Symbolbilder waren glatt abgeschlagen. die Flächen wieder ebengehauen, so daß der Sandstein hier heller erscheint, die Kapitele aber etwas schmaler sind. Derartig zerstört waren die Säulen Nr. 6. 8. 10. 11 und 12. Gerade die Säulen 10 und 11 stehen in Nordrichtung, der heidnischen Gebetsrichtung. Da hier also deutliche Zerstörungsspuren vorhanden sind, mußten sich dort zuvor also heidnische Bilder befunden haben. Gerade die Säulen 10 und 11 säumen ja den von mir hier vermuteten Hochsitz und aus den altisländischen Schilderungen wissen wir, daß die Pfeiler neben dem Hochsitz geschnitzte Götterbilder waren. Ich gehe davon aus, daß die 12 äußeren Säulen die 12 Götter symbolisieren und sich in den Säulenkapitälern Andeutungen auf die einzelnen Götter befinden bzw. befanden. Säule 1 zeigt z. B. das Sonnenrad, steht also für eine Sonnengottheit, Säule 2 und Säule 4 dagegen zeigen Bäume oder Pflanzen und stehen also für Wachstumsgottheiten. Sehr interessant ist auch Säule 7, die zu vielerlei Spekulationen Anlaß gab. Sie zeigt drei Menschengesichter und einen Widderkopf. Damit steht sie vielleicht in Zusammenhang mit Donar oder Heimdall. Von den drei Gesichtern wird auf die Gottheit Triglav geschlossen, die mit drei Köpfen dargestellt wurde.
Nachzeichnung der Säulen 1 bis 6 (© v. Nahodyl Neményi)
Die Säulen überzeugend zu deuten scheint nahezu unmöglich zu sein, daher beschränke ich mich hier auf eine Beschreibung.
Säule 1 hat ein rundes Symbol auf allen vier Seiten, aber auf der Außenseite trägt es drei Malkreuze in Vierecken, auf der Innenseite aber hat es strahlenartige Linien (insgesamt 14).
Säule 2 weist auf drei Seiten baumähnliche Darstellungen auf, nur auf der Außenseite sind es zwei U-förmige Schlingen. Die Baumdarstellung auf Seite c wirkt fast gesichtsartig.
Säule 3 hat im Kapitel cylinderartig liegende Rollen, deren Enden mit mit einem Malkreuz im Quadrat, sowie einer achtblättrigen Blüte bzw. einem Kreis versehen sind. Darüber umlaufend zwei Schlangen und auf einer Ecke ein Gesicht. Die Base dieser Säule unterscheidet sich von den Basen der anderen Säule, da hier an jeder Ecke zwei Blätter oder Hörner den Säulensockel zieren. In der Mitte der Säule gibt es eine viereckige Ausbuchtung, die man auch vorschnell als Aufhängevorrichtung für eine koptische Meßweinflasche gedeutet hatte, unter der Annahme, daß Graf Gottfried von Arnsberg nach seinem Kreuzzug Kopte geworden sein könnte.
Säule 4 hat an der Außenseite wiederum ein Muster mit zwei U-Bögen und Mittelstamm, die drei anderen Seiten sind mit Pflanzensymbolen geziert, und zwar zweiästige Pflanzen mit je zwei Dreiblättern sowie einem Stamm mit 6 seitlich ansetzenden Blättern. Auch zwischen den Kapitelbildern sind noch Pflanzen zu sehen.
Säule 5 hat nur U-förmige Bögen mit aufgerauhten Innenflächen, darüber läuft eine geflochtene Schnur.
Säule 6 hat keine Bilder auf den halbkreisförmigen Kapitelflächen, hier wurden die Darstellungen fachmännisch entfernt. Darüber aber sind immer noch Ranken und zwei sich mit den Schwänzen verschlingende Schlangen zu erkennen, sowie an zwei Ecken Gesichter. Die Säulenbase hat runde Kugeln, die einst Gesicher gewesen sein könnten, wie in Säule 7.
Nachzeichnung der Säulen 7 bis 14 (© v. Nahodyl Neményi)
Säule 7 hat wie erwähnt ein Widdergesicht und drei menschliche Gesichter, unten an der Base ist ein Gesicht noch gut zu erkennen, eine Kugel (vielleich einst aus einem Gesicht gemacht) und zwei ganz abgeschlagene oder abgebrochene Kanten.
Säule 8 hat wieder zerstörte Kapitäle wie Säule 6, nur ohne irgendwelche Ranken. Die Base hier zeigt auf einer der Innenkanten eine Gestalt mit Hörnern, sowie an den anderen zwei Kanten nur Hörner, die letzte Kante ist nicht zu erkennen.
Säule 9 zeigt ein über die Kapitäle laufendes Band, das sich auf Seite b kreuzt, auf der Außen- und Innenseite nur hügelartig hochwölbt. Auf Seite d sieht es so aus, als wenn eine Kreuzung wie auf Seite b einst vorhanden war. Aber es kann auch absichtlich eine nicht vollständige Kreuzung auf dem aufgerauhten Untergrund dargestellt worden sein.
Säule 10 weist fachmännisch zersörte Kapitäle auf, die Base ist variiert.
Auch Säule 11 hat zerstörte Kapitäle, aber ein gedrehtes Band ist oberhalb noch vorhanden. Eine der Base-Ecken zeigt zwei gegeneinander stehende Mondsicheln, eine andere Kante ist ganz abgeschlagen.
Säule 12 ist gleichfalls fachmännisch von heidnischem Bildwerk bereinigt worden.
Kapitel der Säule 13 (Photo v. Nahodyl Neményi)
Kommen wir nun zu den vier dicken Innensäulen. Zwei davon sind mit Ziegeln gemauert und ohne Bilder, doch zwei andere tragen noch Bilder.
Säule 13 zeigt auf der Außenseite ein Tier, vielleicht ein Hirsch, Rentier oder eine Kuh (ohne Euter) mit verschiedenen weiteren Symbolen. Die Seite b hat bogenartig abgeteilte Bereiche und in der Mitte einen Stamm oder eine Leiter. Ich meine, auch eine Sonne im linken oberen Bogenfeld zu erkennen. Vielleicht die Himmelsbrücke, Sonne und Mond oder Sonne und Gestirne. Auf der Innenseite sind wiederum Malkreuze in Quadraten zu erkennen, oben drei, darunter vier und darunter noch Zickzacklinien. Die Siebenzahl ist hier also dargestellt und deutet erneut darauf hin, daß hier irgndwelche Jahresberechnungen geschehen sein müssen. Die Seite d hat nur angeordnete Vierecke: 2-4-4-5-4-4-2 zusammen also 25 oder 27 mit den Kantenfeldern. Vielleicht ein Hinweis auf den 27-tägigen Sternenmonat? Darüber eine bandartige Verzierung, die aber die Außenseite nicht hat. Auch die Kanten sind durch cylinderartige Figuren betont.
Kapitel der Säule 14 (Photo v. Nahodyl Neményi)
Säule 14 hat Gesichter: 8 große Gesichter und oben an den Kanten noch weitere 4 kleine Gesichter, dazwischen oben Ranken. Auch die Base dieser Säule hat Gesichter, aber nur drei, da eine der Kanten kein Gesicht hat.
Dieter Kestermann hat eine Verbindung hergestellt zum Tempel des Raud in der Heimskringla (Rauðs Þáttr ok sona hans), der auch ein Rundtempel war. In dem Þáttr beschreibt der christliche Schreiber das Gästehaus des Bauern Rauð ausführlich. Es hat wahrscheinlich auf dem Gehöft Sönsthagen bei Rena (Norwegen) gestanden und war errichtet als heidnischer Tempel der aber in chrislicher Zeit von Rauð nur als Gästehaus genutzt wurde. Hier nun der Sagatext:
>Raud hieß ein Mann, der in einem Tal wohnte (...) Raud besaß ein prächtiges Gut und war der reichste Mann im Tal. Er und seine Söhne hatten alle Gebäude ausgestaltet, da er ein Meister in Geschicklichkeit darin war (...) Der König hatte 200 Mann mit sich. Der König sah den Hof hoch- und gutverschlossen. Als diese alle zum Tor kamen, da war dieses offen und gut gebaut. Die Tür hing in Eisen (Angeln). Und es war keine leichte Aufgabe, hereinzukommen, wenn das Tor zugeschlagen war (...) Sodann forschte der König bei Raud: „Ist das eine Kirche, das schöne Haus, das ich hier auf dem Gehöft sehe?“ Der Bauer antwortete: „Dies ist das Gästehaus, mein Herr, das im Sommer eingerichtet wurde und erst jetzt fertig geworden ist“. Das ganze Dach des Hauses war aus Schindeln. Und war frisch geteert und neugedeckt. Sodann ging der König zum Wohnhaus, und der König sah, daß dies ein mächtiges Gebäude war. Das Wohnhaus war frisch geteert und gut mit Brettern gedeckt. Der König sah auf dem Hofe viele große und einige kleine Häuser. Und alle waren schön ausgeführt. Der König erforschte, ob dort irgendeine Kirche auf dem Hofe stünde. „Keine“, sagte der Bauer. „Weil kein Bischof hierherkam vor dem Euren“ (...) Als der König zum Gästehaus ging, trug man vor ihm eine brennende Kerze. Er schaute sich draußen auf dem Umgang (um das Haus) um. Und bedachte des Hauses Anlage. Dann ging er hinein und sah, daß auf der inneren Außenwand ein Getäfel rings herumlief. Es gab vier Außentüren in gleichen Abständen voneinander. Innen vor der Außenwand standen hohe Pfosten aus Holz, und dort waren prächtige Betten aufgeschlagen, überall zur Verzierung mit Wandteppichen behängt. Zum Inneren des Hauses hin waren 20 hohe und dicke Säulen aus Holz errichtet. Diese standen im Kreis. Von da ab wölbte sich der Dachstuhl. Alles da war farbig und bemalt. Zwischen den Säulen waren Bretter und davor nach innen zu waren die Lager für die reichen Männer. In jedem der vier Innenabteile konnten zwanzig Mann liegen, aber in den Außenabteilen vierzig. Dort schliefen des Königs Hofleute. In der Mitte des Hauses war eine kreisförmige Bühne. Weit, mit Schnitzwerk und rund herum Stufen zum Auf- und Niedersteigen. Und oben auf der Bühne stand ein großes Bett. Und ausgeführt mit der üblichen Meisterschaft (...) Da sah er (der König) über sich nach dem Dach. Dort sah er Gott selbst gemalt in der Mandorla und darüber die Engelsvölker. Und dort den weiten Himmel, der den ganzen Luftkreis begrenzte, und dort waren die Himmelskörper markiert.<
Zurück zu Drüggelte. Bis 1583 soll sich ein heidnisches Götterbild im Gebäude befunden haben, nämlich das der Göttin Trigla(v) = griech. Tricephalos, „Dreiköpfig“, Beiname der Hecate (= Frick), nach dem auch der kleine Ort benannt ist (Drüggelte, Druchlele, Druglete, Drüchelte von Trigelta, Trigla). Die griechische Bezeichnung für die germanische Göttin kann durch die Christen (Katharer usw.) verursacht sein. Mehr zu Trigla(v) siehe hier.
Dieses Bild hätten die christlichen Nutzer des Heidentempels sicher zerstört, wenn es möglich gewesen wäre. Es war nicht möglich, weil das Bild nach Herlitzius Vermutung selbst eine der vier inneren, tragenden Säulen war. Somit konnte es nicht entfernt werden ohne das Gebäude zum Einsturz zu bringen. Stattdessen ummauerte man das Bild und die gegenüberliegende Säule (die möglicherweise auch ein ähnliches Bild trug) so daß die beiden dicken, gemauerten Säulen entstanden, die noch heute vorhanden sind. Es wäre sehr aufschlußreich, die Mauersteine zu entfernen, um die Bilder wieder hervorzuholen. Solange dies nicht geschieht, behält der Tempel sein Geheimnis für sich.
Ich besuchte den Tempel im Jahre 1986, verbrachte eine Nacht darin, musizierte mit der Flöte (eine interessante Akkustik herrscht im Tempel) und führte auch einen Triglav-Kult durch unter Verwendung der Triglav-Rune. Damals war der Tempel noch sehr unbekannt, heute trifft man dort häufiger auf Heiden, Esoteriker, Geomanten und Meditierende.
Schrifttum:
Dieter Kestermann, Die Kapelle auf den Drüggelter Höfen – Vom heidnischen Tempel zur christlichen Kapelle, das älteste Gebäude Westfalens, Bochum 1988.
Erstveröffentlichung des Artikels 1986 im „Mitteilungsblatt für Vor- und Frühgeschichte“, Berlin 1986, S. 65-91 sowie „Germanen-Glaube“ 6/1995 S. 8-12. Überarbeitete Fassung.
© 1986, 1995, 2014 Allsherjargode Géza v. Nahodyl Neményi